zwischen Dahlen und Oschatz
"Das Rittergut war ziemlich schwer zu bewirtschaften. Es lag in einer Trockenzone, im Windschatten der kleinen Erhebung Colm." Quelle: Zeitzeugin
Eigentümer
Armgard von Bültzingslöwen, geb. von Krosigk (1880 - 1944)
Friedrich (Fritz) von Bültzingslöwen (1874 - 1943)
Landwirtschaftlich genutzte Flächen
415 Hektar, davon 42 Hektar biol.-dyn. (1937: 52 Hektar)
Viehbestand
29 Arbeitspferde, 4 Zugochsen,
24 Zuchtsauen, 376 Mastschweine und Ferkel,
96 Milchkühe, 76 Jungtiere
Technik
Lanz Bulldog, Lokomobil ("Raupe")
1919 - Armgard von Bülzingslöwen erbt Großböhla von ihrem Vater
1921 - Einzug in Großböhla nach Schlossumbau
1925 - Modernisierung Stall, Bau Düngerschuppen und Brennerei
192? - H. Vogelsang aus Ebersbach wird "Administrator"/Berater
1930 - Umstellung auf die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise
1938 - Herr Girke wird Gutsinspektor, Rückkehr zum konv. Landbau
194? - Die "Pommerschen Güterverwaltung" bewirtschaftet das Gut
1945 - Enteignung und Aufteilung in Siedlerstellen
Bio-Landbau in Großböhla - Bei den ersten Anfängen dabei
Bei der Dezembertagung 1929 des Versuchsrings zur biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise in Bad Saarow waren zwei Gutsbesitzerinnen und ein Gutsbesitzer aus Sachsen dabei, so auch Armgard von Bültzingslöwen aus Großböhla. Animiert hatte sie dazu ihr "Administrator" (landwirtschaftlicher Berater) Hermann Vogelsang (1889 - 1943), der selbst ein eigenes Rittergut in Ebersbach bei Döbeln besaß. Hermann Vogelsang war als Züchter, Preisrichter und Präsident der sächsischen Landwirtschaftskammer deutschlandweit gefragt und hatte Anfang 1929 erstmals von der neuen Anbaumethode erfahren. Nachdem er sich bei einem schlesischen Betrieb von der Wirksamkeit der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise überzeugen konnte, begann er noch im gleichen Jahr mit der Umstellung seines Betriebes in Ebersbach.
Auf der Dezembertagung in Bad Saarow gelang es den drei Vertretern aus Sachsen, dass der Versuchsring einen eigenen Anbauberater für Sachsen benannte. Der dafür auserwählte Landwirt Karl Grund zog Anfang 1930 nach Großböhla und begleitete von dort aus die Umstellung der Betriebe in Ebersbach und Großböhla, die sich über drei Jahre erstreckte.
1921 waren das Ehepaar Armgard und Friedrich (Fritz) von Bültzingslöwen mit ihren fünf Kindern nach Großböhla gezogen, nachdem 1919 der Vater von Armgard als letzter Erbherr verstorben und sie alleinige Erbin wurde. Das Gut wurde aus der Pacht genommen und in den folgenden Jahren modernisiert. Eine Zeitzeugin berichtet dazu: "Der Boden war ausgelaugt, als sich Armgard und ihre Familie hier sesshaft machten. Die Bültzingslöwen steckten viel Geld in die Flurbereinigung, den Ackertausch und die Arroundierung der Felder und des Forstes. Fritz von Bültzingslöwen kaufte die Wassermühle Cöllmsmühle, erneuerte den Viehbestand und ersetzte den alten Zugochsenbetrieb durch Traktoren und betrieb die Modernisierung der Stall- und Düngeeinrichtungen. Aus Erzählungen geht hervor, dass das Rittergut 1926 einen Traktor und eine Raupe zur landwirtschaftlichen Produktion besessen hat. Armgard war die Umstellung von der Kalidüngung zur biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise zu verdanken. Trotz großer Anstrengungen hatten sie nur für kurze Zeit wirklich gute Erträge."
Frühes Ende
Wirtschaftliche Probleme und der wachsende politische Druck auf Demeter-Betriebe führten dazu, dass 1938 Inspektor Gierke die wirtschaftliche Gutsleitung übernahm und zur konventionellen Bewirtschaftung zurück kehrte. Maria Krieger, geb. Teller, erinnert sich: "Ein ganz überzeugter Nazi. Deshalb baute er den ihm zur Verfügung stehenden Hausgarten hinter dem Inspektorenhaus zu einem Thingplatz um. Auf dem fand die nächste 1. Mai-Feier statt bei Scheefall und Matschwetter. Wir Schulkinder mussten alle dazu antreten und froren alle jämmerlich. Diese Errungenschaft war den Böhlaern ziemlich wurscht. Ich kann mich an keine zweite öffentliche Veranstaltung erinnern. Herr Girke blieb wirtschaftlich erfolglos. Auf Anordnung einer Pommerschen Güterverwaltung, die die Bewirtschaftung des Rittergutes übernahm, musste er gehen." 1943 starb Friedrich von Bültzingslöwen, 1944 Armgard von Bültzingslöwen. 1945 wurde der Betrieb enteignet.
Quellen
- Benno von Heynitz: Betriebsergebnisse des Jahres 1936, Zusammengestellt im Auftrag der Landesgruppe Sachsen im Reichsverband für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, Mai 1937
- Benno von Heynitz: Die Biologisch Dynamische Wirtschaftsweise im Land Sachsen 1930 - 1945, Eigenverlag, 1951
- Schicksalsbuch I des Sächsisch-Thüringischen Adels, S. 110 - 112, C. A. Starke Verlag, 2005
- Zeitzeugenberichte gesammelt von Grit Jähn, Kleinböhla 2024
- Website: www.böhla.de/Schloss/Schloss.html
Volkspark Großböhla
Kindertagesstätte "Schloss Sonnenschein"
Großböhla
Am Park 13
04774 Dahlen OT Großböhla